Wir schreiben Geschichte

21 MICE Story Tirol oder das andere, ein Staatsmann war, entschied MT immer wieder neu. Im Mo- ment hatte sie eine Schwäche für K-Pop, Barockperücken, Zuckerwatteparfum und weibliche Pronomen. MT war allerbester Laune. Fröhlich flanierte sie – mittlerweile im aller- schönsten Sonnenschein – durch den Wiener Stadtpark. Der Berg funktionier- te einwandfrei. Auf der Schneeseite lag meterweise feinster Pulverschnee, auf der Sommerseite standen die Almrosen in voller Blüte. Der Berg war ein Meister- werk, das neue, starke, grüne Herz der Stadt. Seit der großen Abwanderung vor 50 Jahren stand ein großer Teil Wiens leer. Jene, die hiergeblieben waren und sich gegen die Siedlung auf dem Zweit- planeten entscheiden hatten, bereuten es keine Sekunde. MT strich sich eine Falte in ihrem rotweißroten Jumpsuit glatt und blickte um sich. Es gab keinen Grund zur Beschwerde. Alles schien in bester Ordnung zu sein. Sie machte am Absatz kehrt und marschierte zurück ins Büro. Noch ein paar Anrufe und sie konnte ihre wohlverdiente Mittagspause genießen. Zurück am Schreibtisch überkam MT plötzlich eine bleierne Müdigkeit. Sie hätte den interplanetaren Nachrichten- ticker nicht lesen sollen. Dort oben auf Kepler-452b herrschten furchtbare Zu- stände. Planet Vienna, wie sie ihn getauft hatten, war zum Alptraum derWeltraum- Siedler geworden. Eine Seuche jagte die nächste, die verschiedenen Kolonien lagen im ständigen Streit um die knap- pen Ressourcen und die Weisen, wie die Anführerinnen und Anführer genannt wurden, herrschten despotisch und gnadenlos eigennützig. Was der einfa- che Siedler wollte, was er brauchte oder sich wünschte, war ihnen schlichtweg gleichgültig. Der kleine Planet im Stern- bild Schwan hätte ein Neuanfang für die Menschen werden sollen. Doch aus dem verheißungsvollen Garten Eden wurde ein Ort voller Niedertracht, Schmutz und Enttäuschung. MT blickte auf und traute ihren Augen nicht. Das Portal zur interplanetaren Startrampe öffnete sich. Kamen die Siedler etwa wieder zurück? Wollten sie ihr schönes, grünes, fried- liches Wien erobern? „Nicht mit mir!“ MT stieß einen spitzen, schrillen Schrei aus. So ohrenbetäubend laut, dass die Fensterscheiben in tausend Stücke zer- brachen und der Berg zu beben begann. Es grollte und vibrierte im Untergrund. Dann geschah es: Der Berg implodierte. Und an seiner Stelle schwebte kurz dar- auf nur noch eine riesige Wolke aus Mil- liarden leuchtenden Lichtpartikeln. Die Wolke öffnete ihre Schleusen und ließ es regnen. Regenbogenbunt und glitzernd fielen schwere Tropfen auf die Erde. MT atmete auf und sagte zu sich selbst: „Wie gut, jetzt wird alles Schlechte weggewa- schen.“ Doch was war das? Aus der Ferne tönte eine Stimme. Zuerst ganz leise, dann immer deutlichen: „Warnung! Sie überschreiten Ihre Tagesschlafzeit. Es ist Zeit für etwas Bewegung!“_

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